Re:thinking Sustainability – wie regeneratives Wirtschaften gelingen kann

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Warum wir Nachhaltigkeit neu denken müssen

Als der damals 66-jährige Johann Hans Carl von Carlowitz 1711 zum Oberberghauptmann des Erzgebirges ernannt wurde und für die Holzversorgung des Berg- und Hüttenwesens tätig war, wusste er nicht, dass er einmal zur prägenden Persönlichkeit für das Handeln der Generationen im 21. Jahrhundert werden würde.

Carlowitz, der nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Jena quer durch Europa reiste, beschäftigte sich mit der Holzwirtschaft und bemerkte, dass Holz als Baumaterial und Brennstoff ein knapper Rohstoff ist. Da der Bedarf nach Holz aber immer weiter stieg, wurde ihm bewusst, dass eine planvolle und nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes notwendig werden würde, weshalb er in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ zu einer „nachhaltende[n] Nutzung“ von Holz aufrief. Das Prinzip: Entnimm einem System nie mehr als das System selbst regenerieren kann. Der Grundstein für ein nachhaltiges Handeln war damit gelegt

Heute kämpfen Aktivist:innen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer für die immer noch gleiche Idee. Mittlerweile geht es aber nicht mehr nur um den nachhaltigen Umgang mit Holz, sondern um den nachhaltigen Umgang mit allen Ressourcen, die uns diese Erde zur Verfügung stellt. Ziel ist, ein ausgeglichenes Geben und Nehmen mit der Natur herzustellen, sodass wir im Einklang mit der Erde auf und mit ihr zusammenleben können. Aber was geben wir Menschen eigentlich?

Wenn man sich unsere Geschichte anschaut, haben wir eigentlich immer nur genommen. Wir entreißen der Natur seit Jahrhunderten Pflanzen und Tiere, um uns davon zu ernähren. Andere Ressourcen wie Holz, Kohle und Öl entreißen wir, um es warm zu haben bzw. allgemeiner Energie für uns zu erzeugen. Damit aber nicht genug. Unsere Bedürfnisse nach einem bequemen und effizienten Leben haben uns außerdem dazu bewegt, auch andere Rohstoffe wie z.B. Wasser und seltene Erden der Natur immer weiter zu entnehmen. Das Problem: Nicht alle Ressourcen wachsen nach.

Im Laufe der Nachhaltigkeitsbewegung hat sich immerhin mittlerweile eine Haltung herauskristallisiert, der Natur weniger schaden zu wollen als es unsere Vorgänger:innen getan haben. Für die Erde ist dies aber nicht mehr ausreichend. Und unseren heutigen Generationen, zumindest ab der Boomer-Generation, reicht das auch nicht mehr. Endlich erkennen wir den Schaden, den wir in dieser Welt anrichten und viele wollen etwas dagegen tun. Wir wollen weg von dem „immer nur nehmen“ und dem „immer weiter und weiter wachsen – koste es, was es wolle“. Dieses Handeln ist nicht mehr zeitgemäß. Und unsere aktuelle Wirtschaftsform ist es auch nicht mehr.

Viele kluge Köpfe haben sich in den letzten Jahren Gedanken darüber gemacht, wie wir von unserem „alten Modell des Wirtschaftens“ wegkommen können. Darstellungen wie das Modell der planetaren Grenzen und das Donut Modell zeigen uns mehr als deutlich unsere Grenzen auf. Die 10 R-Prinzipien des Regenerativen Wirtschaftens und das Konzept Cradle to Cradle geben uns Orientierung für unser Verhalten hin zu einem schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen und hin zu einem Leben in Kreisläufen, so wie es uns die Natur schon seit Jahrtausenden zeigt.

Es ist eigentlich verwunderlich: Bei neuen Technologien und Innovationen orientieren wir uns schon lange an der Natur. Das Forschungsgebiet der sogenannten Bionik – ein Mischwort aus Biologie und Technik – beschäftigt sich genau damit, Konzepte und Prozesse aus der Natur anzuschauen und diese für die moderne Technik des Menschen zu adaptieren.

Der Lotus-Effekt der tropischen Wasserpflanze ist eines der bekanntesten Beispiele. Kleine wachsähnliche Kristalle auf der Oberfläche der Blätter sorgen für einen wasserabweisenden Effekt. Diesen Mechanismus hat der Mensch sich zu Nutze gemacht, um z.B. Outdoor-Kleidung pflegeleichter und widerstandsfähiger gegen Feuchtigkeit und Flecken zu machen. Auch die Automobilindustrie entwickelt Lacke, um Autos wasser- und schmutzabweisend zu machen.

Das Militär macht sich ähnliche Effekte schon lange zu Nutze. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Design des Tarnklappenflugzeugs F-117 Nighthawk. Die Oberfläche dieses Flugzeuges wurde von der Oberfläche einer Eidechsenhaut inspiriert, die aus vielen kleinen Schuppen besteht. So ist auch die Oberfläche dieses Flugzeugs aus vielen kleinen schuppigen Platten konzipiert mit dem Effekt, dass Radarwellen in verschiedene Richtungen gestreut werden, anstatt dass diese direkt zum Radar zurück reflektiert werden, was am Ende die Sichtbarkeit des Flugzeugs für Radarsysteme minimiert.

Aber das Kreislaufprinzip der Natur – das haben wir uns erst sehr spät abgeschaut. Und in unser tägliches Handeln hat es noch längst keinen Einzug gefunden, was seltsam ist, denn wir Menschen sind ja auch per se dem Kreislaufprinzip unterworfen: Wir werden geboren, entwickeln uns, altern, sterben und unsere toten Körper werden wieder dem Kreislauf und der Natur zugeführt. Leider fangen wir meistens erst sehr spät an, über uns selbst zu reflektieren – schade eigentlich, wo uns doch als einziges Wesen auf dieser Welt die Gabe innewohnt, in dieser Detailtiefe reflektieren zu können.

Aber genug des Bedauerns, hin zu motivierenden Worten und Taten: Problem erkannt – Problem gebannt. Immerhin haben wir das Prinzip der Kreisläufe endlich verinnerlicht und machen es uns auch zu Nutze. Damit handeln wir nicht einfach nur noch „nachhaltig“ im Sinne von „weniger schlecht machen “, sondern hoffentlich ganz bald flächendeckend im Sinne von „regenerativ“ – „sich selbst erneuernd“. Wie das gehen kann, zeigen verschiedene Modelle und Theorien.

Wie uns ein regenerativer Umgang mit unseren Ressourcen gelingen kann

Im März 2020 hat die Kommission der Europäischen Union als Bestandteil des European Green Deal einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft mit 30 Aktionspunkten zu den Themen „Gewährleistung der Entwicklung nachhaltiger Produkte und des Kreislaufprinzips in Produktionsprozessen“, „Stärkung der Verbraucherposition“, „Ausrichtung auf Schlüsselsektoren“ und „Reduzierung von Abfall“ veröffentlicht.  Die Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollen sich an den 10 R-Prinzipien orientieren:

  • Rethink = überdenken
  • Refuse = ablehnen
  • Reduce = reduzieren
  • Reuse = wiederverwenden
  • Repair = reparieren
  • Refurbish = aufbereiten
  • Remanufacture = wiederaufbereiten
  • Repurpose = umfunktionieren
  • Recycle = aufbereiten
  • Recover = thermisch verwerten

Während Rethink darauf abzielt, das Prinzip, immer neue Sachen zu produzieren, zu überdenken und auf Alternativen wie Verleih, Tausch oder Weitergabe hinwirkt, lehnt Refuse sogar den Neukauf eines Produkts komplett ab. Reduce arbeitet damit, die Ressourcen, die in den Herstellungsprozess eines Produkts gehen, zu reduzieren. Um die Lebensdauer eines Produkts zu verlängern kann mit Reuse das Produkt wiederverwendet werden. Repair zielt auf die Reparatur und Wiederverwendung des Produkts und Refurbish auf ein wieder nutzbar machen des Produktes hin. Remanufacture bereitet Teile eines Produkts wieder auf und setzt sie in neue Produkte wieder ein. Mit Repurpose werden dem Produkt wiederum neue Funktionen verliehen. Lassen sich Materialien aus einem Produkt wiederverwenden, kann man diese mit Recycle wieder in den Kreislauf einführen. Recover nutzt die thermische Verwertung, indem die Produkte verbrannt werden und die entstandene Energie weiterverwendet wird.

So weit so gut. Aber wie wendet man die Prinzipien jetzt in einem Unternehmen an? Von der Idee bis zur Umsetzung braucht es einen Transformationsprozess, einen Prozess des Wandels. Transformation wird nicht nur von verschiedenen Wissensarten und Trends geprägt, sondern auch von der Motivation jedes/r Einzelnen. Aber ein:e Einzelne:r kann oft nur wenig in Bewegung setzen. Dafür braucht es Mitmenschen, die das gleiche Ziel verfolgen.

Das Impact Business Design kann einer Organisation helfen, sich hin zum regenerativen Wirtschaften zu transformieren. Dieses Modell wurde von den Transformationsexperten Stephan Grabmeier und Dr. Stephan Petzolt entwickelt und in ihrem gleichnamigen Buch „Impact Business Design“ zusammengefasst und vorgestellt. Das Impact Business Design gliedert sich in die drei Phasen „Transparenz“, „Transzendenz“ und „Immanenz“, die wiederum in 13 verschiedene Schritte unterteilt werden. Die beiden Autoren empfehlen, als Organisation alle Phasen und Schritte chronologisch zu durchlaufen, um die besten Kopplungseffekte auf Organisationsebene zu erzielen. Als Kopplungseffekte werden dabei verschiedene Wirkungen beschrieben. Die Organisation stellt sich durch dieses Design nicht nur zukunftsfähig auf, sondern beschleunigt ihre Transformation auch durch dieses Modell. Da sowohl alle Mitarbeitenden als auch alle anderen Stakeholder aus dem Ökosystem des Unternehmens in diesen Prozess integriert werden, wird ein Zusammenspiel aller Beteiligten geschaffen, das motivierend und bewusstseinsbildend wirkt. Heraus kommen nutzbare Bausteine für die Organisation, um ins zirkuläre Wirtschaften zu kommen.

Übersicht über die 3 Phasen und 13 Schritte des Impact Business Design

Dies klingt ein wenig kompliziert, ist es aber in der Praxis nicht. Diverse Beispiele von Unternehmen zeigen, dass sie Teile dieses Modells schon implizit in ihrer Organisationsentwicklung umgesetzt haben. In dem Buch „Re:thinking Sustainability“ zeigen die Autor:innen Anne-Kathrin Vorwald und Stephan Grabmeier 12 Beispiele aus der deutschen Wirtschaft auf, die sich bereits auf den Weg zum regenerativen Wirtschaften gemacht haben. Es werden die Erfolgsfaktoren für die Zirkularität in Unternehmen gemäß des Impact Business Designs abgeleitet und greifbar für andere Unternehmen gemacht.

Diese Beispiele umfassen die Unternehmen elobau GmbH & Co. KG, followfood GmbH, Franz Haniel & Cie. GmbH, ISPO powered by Messe München GmbH, RATISBONA Holding GmbH & Co. KG, Reckhaus GmbH & Co. KG, RECUP GmbH, Rhomberg Bau GmbH, Rügenwalder Mühle Carl Müller GmbH & Co. KG, Weleda AG, Werner & Mertz GmbH, ZINQ GmbH & Co. KG. Eingerahmt werden diese Beispiele durch die Beiträge von den drei Vordenker:innen Prof. Dr. Johanna Gollnhofer von der Universität Sankt Gallen, Prof. Dr. Stephan Hankammer von der Alanus Hochschule und Dr. Katharina Reuter vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, die regenerative Transformation aus wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Perspektive einrahmen.

Buchcover von Re:thinking Sustainability von Stephan Grabmeier und Anne-Kathrin Vorwald

Best Practice Beispiel – RECUP GmbH

Die RECUP GmbH wurde im Jahr 2016 von Fabian Eckert und Florian Pachaly gegründet. Um im Sinne der Kreislaufwirtschaft Abfall zu vermeiden, bauten die beiden Unternehmer mit RECUP ein Pfandsystem für Kaffeebecher auf. Neben der Produktidee war es den beiden Gründern von Anfang an wichtig, ihr Unternehmen gemäß der Triple Bottom Line aufzubauen: „Es ist uns wichtig, mit diesem Modell ein Teil des Wirtschaftssystems zu sein, weil wir darin einen der größten Hebel für Veränderung sehen. Außerdem wollen wir zeigen, dass es heutzutage möglich ist, einen ökonomischen mit einem ökologischen und einem sozialen Impact miteinander zu verbinden“, sagt Pachaly. Gedacht, getan. Nach einem ersten Pilotprojekt ging es in die Serienproduktion der ersten Kaffeebecher. Bei der Wahl des Materials haben sie sich für reines Polypropylen (PP) entschieden. Anders als andere Plastiksorten wie Polyethylen (PE), Polystyrol (PS), Polyethylenterephthalat (PET) und Polyvinylchlorid (PVC) zeichnet sich PP nicht nur durch eine besondere Temperaturbeständigkeit aus, sondern es ist auch flexibler als andere Kunststoffe, resistent gegen Wasser und ist zudem zu 100% recyclingfähig. Neben den bekannten RECUP-Kaffeebechern sind mittlerweile auch Mehrwegbehältnisse namens REBOWLS erhältlich. Diese können in mittlerweile 20.000 Gastronomiebetrieben wie Cafés, Bäckereien, aber auch Unternehmenskantinen, Restaurants und sogar Tankstellen erworben und verwendet werden.

Während immer noch Unwissen über kreislauffähige Produkte herrscht, ist es oft auch eine Art Berührungsangst der Verbraucher:innen, mit solchen Produkten umzugehen, die den Ausbau eines flächendeckenden Mehrwegsystems hemmt. „Die Menschen fragen sich Sachen wie: Wo kann ich meinen Becher zurückgeben? Muss ich ihn selbst waschen? Und bekomme ich mein Pfand zurück? Da versuchen wir mit ganz viel Aufklärungsarbeit, immer wieder Transparenz zu schaffen. Wissen baut Ängste ab“, sagt Pachaly.

Florian Pachaly lässt sich Kaffee aus einem RECUP-Becher schmecken.

Obwohl es in Deutschland seit 2021 mit der Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) ein Gesetz zum Verbot von Einwegkunststoffprodukten gib und diese Verordnung durch die Mehrwegangebotspflicht im Rahmen des Verpackungsgesetztes 2023 erweitert wurde, ist die Mehrweginfrastruktur in Deutschland immer noch sehr dünn. In Deutschland werden pro Stunde rund 660.000 Einwegbecher für Heiß- und Kaltgetränke verbraucht, pro Jahr ergibt sich so eine Summe von 5,8 Milliarden Einwegbechern.

Aber nicht nur die Gastronomieinfrastruktur hinterlässt in Deutschland einen faden Beigeschmack, sondern auch die wirtschaftliche Infrastruktur. „Wir würden unsere Produkte gerne in einem geschlossenen Kreislauf halten, das heißt, dass unser Material nach dem Gebrauch recycelt würde und dann in den gleichen Anwendungszyklus zurückgeführt würde, anstatt diesen ins Downcycling oder in die Entsorgung weiterzuleiten“ erklärt Pachaly. Aber die Kosten für die Sammlung, Sortierung und Verarbeitung des zu recycelnden Materials sind aktuell noch sehr hoch, sodass es für die meisten Anbieter kaum bezahlbar ist, in solche Technologien zu investieren. Deswegen braucht es mehr wirtschaftliche Treiber wie RECUP, die zum Ausbau dieser Infrastruktur hinwirken.

Zusammenfassung

Was Carl von Carlowitz damals über die Regeneration von Wäldern festgestellt hat, ist heute immer noch aktuell. Carlowitz ist einen Weg gegangen, den wir nachfolgenden Generationen heute beschreiten können. Für uns heißen die nachfolgenden Pioniere nicht mehr nur Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Nein, sie heißen Axel Berger, Lars Baumgürtel, Fabian Eckert und Florian Pachaly, Tobias Gröber, Claudia Hauschild und Steffen Zeller, Michael Hetzer, Hubert Rhomberg, Julius Palm, Hans-Dietrich Reckhaus, Reinhard Schneider, Sebastian Schels und Tina Müller.

Dies sind nämlich jene Menschen, die die Transformation hin zum regenerativen Wirtschaften für uns in den Unternehmen vorantreiben. Und wir wollen sie sichtbar machen. Sichtbar machen, damit wir von ihnen lernen können und ihnen nachfolgen können.

Danke an dieser Stelle an alle Impulsgebenden und Vordenker:innen für ihren wertvollen Input, ihren Mut, voranzugehen und ihre Offenheit dafür, dass wir von ihnen lernen können, wie regeneratives Wirtschaften umsetzbar ist.

Wenn ihr noch mehr über das nachhaltige Wirken von RECUP und die Unternehmensstory erfahren wollt, schaut doch einfach in das Buch „Re:thining Sustainability“. Dieses ist ab dem 10.10.24 hier erhältlich oder hört in unsere 3-teilige Podcaststaffeln rein. 

Picture of Anne-Kathrin Vorwald

Anne-Kathrin Vorwald

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